Die Bedingungen zwangen uns, unsere Heimat zu verlassen und in ein neues Land und eine neue Kultur zu ziehen – und jeder von uns hoffte, dass es morgen besser als heute würde.

Wegen der Freundlichkeit der Menschen in unserer neuen Heimat und der guten Aufnahme für uns haben wir viele Träume in unseren Gedanken und eine reale Chance gesehen, sie wirklich zu erreichen.

Unsere Träume fangen meistens damit an, dass wir die Schrecken und Nöte zu vergessen versuchen, die wir infolge von Kriegen und Todesbildern erlitten haben, und auch die schlimmen Erfahrungen, die wir während der Flucht gemacht haben, um dem Krieg zu entkommen und eine Chance auf Leben zu haben. Unsere Träume drehen sich vor allem um Stabilität, Sicherheit und ein Leben in Würde und Freiheit. Der Wunsch der meisten ist es, ein aktives Mitglied in unserer neuen Gesellschaft zu sein.

So vieles haben wir für das Überleben und ein lebenswertes Leben auf uns genommen. Wir haben dafür unser Land verlassen, das vom Krieg verwüstet wurde, aber wir haben nicht bedacht, dass Traum und Realität zweierlei Dinge sind und dass ein Leben als geflüchteter Mensch auch in Sicherheit viele Probleme mit sich bringt. Daher ist dieser große Traum für einige fast zum Albtraum wurde und sie leiden immer noch, wenn auch anders.

Das erste unserer Probleme war die Zufälligkeit unserer Aufenthaltsorte. Wir kamen in Deutschland an und wussten nicht, wohin wir geschickt werden, und hatten auch keine Möglichkeit, dies zu beeinflussen, selbst wenn schon andere Familienmitglieder in Deutschland waren. Ein weiteres Problem ist, dass vielen das Recht verweigert wird, ihre Familien nachzuholen – und wer will schon ein Leben ohne seine Familie? Ein anderes großes Problem stellt die neue Sprache dar und die Schwierigkeit, sie zu erlernen. Deutsch ist zum einen eine der schwierigsten Sprachen der Welt und zum anderen haben einige von uns ein ganz anderes Alphabet gelernt. Weitere Schwierigkeiten sind die Suche nach einer eigenen Wohnung oder einer Arbeit – beides unerlässliche Bedingungen für Integration –, um nur einige Beispiele zu nennen.

Es gibt also viele Gründe, warum es für uns so schwer ist, ein Teil dieser Gesellschaft zu sein. Das hat nichts mit Ihnen, den Leserinnen und Lesern, zu tun, es liegt einfach an der Vielzahl der Probleme, mit denen wir bei diesem Bemühen um Integration konfrontiert werden. Es braucht viel Geduld und Zeit auf unserer Seite, um uns auf das System einzustellen, und die Einsicht, dass wir damit nur schrittweise vorankommen können – und manches auch gar nicht zu realisieren ist.

Die Bundesregierung stellt eine Menge Geld für Integrationsmaßnahmen zu Verfügung. Dadurch entsteht jedoch noch keine Interaktion zwischen Geflüchteten und Deutschen. Dafür braucht es Menschen: Bürgerinnen und Bürger Deutschlands UND Geflüchtete, die aneinander interessiert sind, die sich auf die jeweils andere Kultur einschließlich der unterschiedlichen Bildungswege einlassen und die den Weg der Integration gemeinsam gehen.

Da es viel zu diesem Thema zu berichten gibt und ich hier zunächst allgemein auf die Situation und das Empfinden von uns Flüchtlingen eingegangen bin, möchte ich in einem weiteren Artikel auf die konkrete Situation in Ellerau eingehen.

 

Zur Person: Ahmad Turki ist 45 Jahre alt und seit zweieinhalb Jahren in Deutschland. In Syrien hat er zwei Jahre Journalistik studiert. Gearbeitet hat er dann als LKW-Fahrer und kann auf 15 Jahre Erfahrung zurückblicken. Seit Ende 2015 lebt er mit seiner Frau und seinen drei Söhnen in Ellerau.

Dieser Artikel erschien zuerst in WIR HIER – Ein Magazin für Norderstedt von Geflüchteten, Heft 2, Dez. 2017 und wird hier leicht bearbeitet wiedergegeben.

Das Willkommens-Team Ellerau sucht weiterhin aktive Mitglieder, die „den Weg der Integration“ gemeinsam mit den Flüchtlingen gehen.

Vom Weggehen und Ankommen – Schlaglicht von Ahmad Turki aus Syrien